Architektur: Miroslav Sik
Wohnhaus der Musik
Der dritte Preis geht an den Architekten Miroslav Sik. Er hat in Zürich-Aussersihl ein Musikerwohnhaus gebaut. Der ehemalige Meister der Analogen Architektur zeigt, wie er heute die Stimmung des Ortes und den Baugedanken architektonisch ausspricht.
Für Musiker hat die Stadt nun zum ersten Mal gebaut, hier hat nicht Lichtführung sondern Schallschutz und Tonqualität spezielle Bedeutung. Der Akustiker war Mitarbeiter im Planungsteam.
Das kollektive Bild des Wohnhauses
Analoge Architektur ist methodische Collage aus bereits exisitierenden Bildern, die Bauaufgabe und Ort hervorrufen. Ziel ist die Integration des Neuen in das Vorhandene. Die eigentliche architektonische Arbeit beginnt mit der Perspektive, die dann in mehreren Schritten „architektonisiert“, in Grundrisse und Schnitte umgesetzt wird. Das Musikerwohnhaus ist ein Nachfahre der analogen Methode: ein Wohnhaus, das dem kollektiven Bild des Wohnhauses entspricht und die Eigenheiten des Ortes aufnimmt.
Das Inliegermusikzimmer
Nicht nur der figürliche Schmuck erinnert an die architektonische Vormoderne, auch der Grundriss. Sik hat das Prinzip des Inliegerzimmer angewandt, jenes Zimmer das gleichzeitig vom Treppenhaus und der Wohnung her zugänglich ist und noch vor fünfzig Jahren den Titel „Feind des Familienlebens“ trug. Denn das Inliegerzimmer war dazu da, um an Schlafgänger vermietet zu werden. Allerdings ist das Prinzip beim Musikerwohnhaus nicht ganz durchgezogen, die Zimmer sind nur von aussen oder nur von innen zugänglich, doch gehören sie eindeutig zur Wohnung und gewährleisten deren Flexibilität. Denn das Inliegerzimmer ist jenes, wo geübt und gespielt wird. Fehlt der Bedarf, kann das Zimmer an Musiker weitervermietet werden, die nicht im Haus wohnen; die Toiletten für die Untermieter sind im Untergeschoss. Dort befinden sich auch weitere und teilweise grössere Musikzimmer, die Bewohner oder Aussenstehende mieten können. Alle Musikzimmer sind von der Konstruktion des Gebäudes getrennt. Diese besteht aus Mauerwerk, die Musikzimmer sind aus speziellem Isolierstein (Calmo) mit gedämmten Vorsatzschalen in das Gebäude eingesetzt. Dickere Unterlagsböden, verstärkte Trittschalldämmungen, speziell isolierte Kastenfenster und Schallschutz-türen machen das Inliegerzimmer zum fast schalldichten Raum.
Einfamilienhaus auf der Etage
Das Musikerhaus trägt wesentliche Merkmale des Zürcher Mietblocks aus dem 19. Jahrhundert. Es ist eine Abfolge von Zweispännern mit den Hauseingängen an der Strasse und Höfen auf der Rückseite. Doch integriert das Haus die wertvollen Weiterentwicklungen des Wohnbaus unserer achtziger und neunziger Jahre. Das Treppenhaus ist offen und einsehbar, der Wohnungszugang erfolgt über einen grosszügigen Balkon. Die mittleren Wohnungen haben drei, die Äusseren vier Aussenfassaden.
Die Höfe wollen intimer Gemeinschaftsraum der Bewohner sein, Wohnzimmer, Küchen und Balkon richten sich darauf aus.
Die warme helle Farbe der Hoffassaden kontrastiert die kühle Farbe des städtischen Strassenraums an den Hauptfassaden.
Was überrascht, ist die Stimmung, die das Haus vermittelt. Bei allem Bezug zum Ort: Die Farben, die französischen Fenster erwecken die Sehnsucht nach der Ferne. Es ist ein unzürcherischer typisch zürcherischer Blockrand.
Quelle:
Hochparterre : Zeitschrift für Architektur und Design
Autor(en): Capol, Jan
Band (Jahr): 10 (1997) (Seite 12 und 13)